Die Neustadt
entsteht
12 Begehrte Luxusgüter
Hugenotten kurbelten das Handwerk an - Hochwertige Handschuhe
Am 7 Dezember 1685 erließ Christian Ernst für die französischen Glaubensflüchtlinge ein Markgräfliches Edikt. Darin gestand er den Emigranten völlige Gleichstellung mit den alteingesessenen Bürgern, freie Religionsausübung und Gewissensfreiheit zu. Daneben erhielten sie weitgehende Selbstverwaltung, teilweise Steuerfreiheit über fünf bis zehn Jahre und weitere Privilegien.
Das Edikt führte zu anfänglichen Erfolgen. In den ersten drei Jahren kamen etwa 1500 Hugenotten in das Bayreuther Territorium. Der Zustrom ließ jedoch rasch nach. Zudem zogen einige Hugenotten bald wieder ab, um ihr Glück in anderen, weniger provinziellen Gebieten zu versuchen. Der Rest wurde schließlich in der Planstadt Neu-Erlang angesiedelt. Christian Ernst gewährte den Flüchtlingen hier (neben Bayreuth, Neustadt an der Aisch, Münchaurach und Wilhelmsdorf) öffentliche Religionsausübung.
Bis die ersten Häuser erbaut waren, wurden die Hugenotten bei den Einheimischen in der Altstadt Erlangen untergebracht. Doch die Enge und die Privilegien, die die Flüchtlinge im Gegensatz zu den Alteingesessenen genossen, führten schnell zu Neid und Missgunst. Die unterschiedliche Religion (die Altstädter waren Lutheraner) und Sprache sowie das anfangs mangelnde Interesse der Zugezogenen, sich zu integrieren, trug ebenso zu Konflikten bei. Es dauerte einige Generationen, bis die Hugenotten ihre Muttersprache zögerlich aufgaben und sich durch Heirat endgültig mit den Deutschen vermischten. Bis 1740 wurden daher amtliche und gewerbliche Mitteilungen immer zweisprachig verfasst.
Die Hoffnung auf steigenden Wohlstand im Lande durch die Hugenotten wurde nur teilweise erfüllt. Zumindest in Erlangen wurde die Wirtschaft, allen voran das Handwerk, erfolgreich angekurbelt. Es entwickelten sich rasch neue Gewerbezweige, vor allem in der Textilindustrie. Erste Manufakturen wurden errichtet, die bis dahin in der Region weitgehend unbekannt gewesen waren. Bald wurden Erlanger Waren auf den verschiedensten Messen in und außerhalb des Reiches angeboten. Man lieferte in die Schweiz, nach Italien, Großbritannien, sogar bis nach Polen und Russland.
1698 existierten in Erlangen bereits elf französische Hutmacher-Manufakturen,
die jedoch mehr und mehr von deutschen abgelöst wurden. Auch die Strumpfwirkerei
hatte ihr Zentrum in Erlangen. 1712 wurden 161 Wirkstühle betrieben. Daneben
waren besonders die Erlanger Glace-Handschuhe berühmt. 1687 wurden bereits
drei Handschuhmacher-Manufakturen gegründet, eine Zahl, die innerhalb der
nächsten hundert Jahre auf neun anstieg.
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Bis nach Russland und Amerika verkauften
die Handschuhmacher ihre Produkte. Am Bahnhofsplatz erinnert dieser goldene
Ausleger an das einst für die Stadt typische Handwerk. |
Da es sich bei den Glace-Handschuhen um hochwertige Luxusgüter für die Oberschicht handelte, war der Handschuhmacher ein besonders angesehener Beruf. Etliche ihrer Meister hatten daher im 19. Jahrhundert Ehrenämter wie Kirchen Vorsteher und Ratsmitglieder inne und wurden als "Gantiers" (Herren) angeredet.
Über die oben genannten Gewerbe hinaus bildeten Weißgerber, Papiermacher,
Gobelin- und Wirkteppichweber sowie Gold- und Silberdrahtfabrikanten die Masse
der Emigranten. Über diese Vielfalt an Gewerbezweigen wachte in der Stadt
ein "Conseil de Commerce", eine Art Handels-, Gewerbe- und Industriekammer.
In ihm gaben die Franzosen den Ton an. Bereits zehn Jahre nach der Gründung
der Neustadt lag der jährliche Gewerbeumsatz bei 200000 Gulden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Handschuhmacherei
noch einmal einen Aufschwung. Zu den wenigen übrig gebliebenen Meistern
ihrer Zunft gehört Jürgen Pfeifer in der Hauptstraße.
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