Verschenkte Freiheit

01 Reaktion stoppt revolutionären Aufbruch
--- 01 Freistaat Bayern ausgerufen
--- 02 Erlanger im Freikorps Epp
--- 03 Erste Wahlen
--- 04 Versailles und die Folgen
--- 05 Krisenjahre der Republik

02 Gespaltene Stadt
--- 01 Gespaltene Stadt
--- 02 Seit 1922 aktiv in Erlangen
--- 03 Auf dem Weg in die Diktatur

 

03 SA schlug sofort zu
--- 01 Keine absolute Mehrheit
04 Das Ende mit Schrecken
--- 01 Öffentlicher Antisemitismus
--- 02 Alltag in der Diktatur
--- 03 Tod und Zerstörung

05 Zeitzeuge

 

 

04 Das Ende mit Schrecken

Während man Hindenburg, Hitler und den "Frankenführer" Streicher zu Ehrenbürgern ernannte, versuchte die Stadt mit ihrer kulturellen Tradition zu brechen und dem rabiaten Antisemitismus der Nationalsozialisten ihre Referenz zu erweisen. Das Denkmal des jüdischen Arztes Jacob Herz, seit 1875 auf dem Luitpoldplatz (heute: Hugenottenplatz) aufgestellt, zerstörten SA-Männer auf Beschluss des gleichgeschalteten Stadtrats.

Bei der öffentlichen Verbrennung von 1400 Büchern missliebiger Autoren auf dem Schlossplatz am 12. Mai 1933 tat sich besonders der Professor für Kirchengeschichte Hans Preuß hervor, der mit seinem Aufsatz "Luther und Hitler" aus dem gleichen Jahr seine pointiert nationalsozialistische Gesinnung unterstrich. Auch gegen die Freimaurerloge "Libanon zu den drei Zedern" in der Universitätsstraße gingen die neuen Machthaber vor und inszenierten eine diffamierende Dauerausstellung, um die angebliche Verschwörung der Freimaurer zu dokumentieren. Zahlreiche Teilnehmer der Reichsparteitage im nahen Nürnberg besuchten jährlich diese Anti-Freimaurer-Schau. Durch Überwachung, Kontrolle und Schikanierung wurde die Bevölkerung diszipliniert, bis 1937 nahmen die neuen Machthaber allein 167 Menschen in Schutzhaft.

Die 120 Mitglieder der kleinen jüdischen Gemeinde waren dem Radau-Antisemitismus der Nationalsozialisten seit der Machtergreifung besonders ausgesetzt. Mit dem Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933, den Tausende Erlanger befolgten, begannen die zielgerichteten Aktionen eines verbrecherischen Regimes, die sich ständig verschärften.

04.01 Öffentlicher Antisemitismus

Seit 1935 demonstrierte die Stadtverwaltung mit dem auf dem Nürnberger Tor angebrachten Spruchband "Juden sind hier nicht erwünscht" öffentlich ihre antisemitische Einstellung. Das Schicksal des jüdischen Religionslehrers Justin Fränkel ist typisch für die schikanöse und brutale Behandlung jüdischer Mitbürger bis zur Reichspogromnacht am 9. November 1938: Der schon vor 1933 einsetzenden Hetzkampagne im Stürmer folgten körperliche Misshandlungen und die öffentliche Anprangerung, weil er den jüdischen Schülern der Oberrealschule folgendes Prüfungsthema gestellt hatte:

"Weise aus der Geschichte der Juden in Deutschland ihre geschichtliche und kulturelle Verbundenheit mit ihrer deutschen Heimat nach."

Das Direktorat der Marie-Therese-Schule verbot ihm den Zutritt zum Schulgebäude. 1937 wurde er verhaftet und ins Würzburger Gestapogefängnis eingeliefert, wo er bis zu seiner Emigration in die USA im Jahr 1938 blieb.

Nach der Reichspogromnacht trieb man alle Erlanger Juden im Innenhof des Stutterheimschen Palais zusammen, ein randalierender Mob plünderte ihre Wohnungen und Geschäfte und demolierte den jüdischen Betsaal in der Einhornstraße. Neue Fotoapparate aus dem Geschäft der Familie Katz / Benesi brachten viele Kinder am nächsten Tag mit in die Schule. Nach der Umsiedlung in "Judenhäuser" und der "Arisierung" ihres Besitzes begannen Ende 1941 die Verhaftungen und Deportationen der Juden in die Vernichtungslager des Ostens, wo die von Verbrechern organisierte und durchgeführte Tragödie des jüdischen Volkes endet.

04.02 Alltag in der Diktatur

1935 meldeten das Städtische Mädchenlyzeum und die Deutsche Aufbauschule, dass 90 Prozent ihrer Schülerinnen dem "Bund deutscher Mädel" beigetreten seien, ein Jahr später waren 95 Prozent aller zehnjährigen Erlanger Kinder im "Deutschen Jungvolk" organisiert. Sie entsprachen damit Hitlers Vorstellungen, der 1938 auf einer Wahlkundgebung im Sudetenland über die in Jungvolk, HJ und BdM organisierten Jugendlichen gesagt hatte:

"Und sie werden nicht mehr frei, ihr ganzes Leben."

Die eingeschränkte Freiheit merkten auch die Eltern, die in vielfältigen Organisationen der Partei eingegliedert waren.

Durch Glockenläuten und Beflaggung machten die Erlanger Kirchen bereits 1933 ihre Sympathie für den Nationalsozialismus deutlich. Brucks Kantor spielte in SA-Uniform und die Formationen der Partei SS und HJ traten am l. Mai zum gemeinsamen Kirchgang an. Über nationalsozialistische Kirchenvorstände versuchte die Partei ihren Einfluss auf Pfarrer und Gemeinde auszudehnen, die ihrerseits in Fürbitten und Gottesdiensten Hitler feierten, wie Oberkirchenrat Rudel in der Altstädter Kirche:

"Unser Volk unter Leitung eines ihm von Gott gesendeten Führers."

Erst der Konflikt mit den nationalsozialistischen "Deutschen Christen" führte zu einer vorsichtigen Distanzierung, die Professor Althaus auf die Formel brachte.

"Wenn die Kirche in Judendingen nur nachspreche, was die nationale Bewegung sagt, dann werde die nationale Regierung den letzten Respekt vor der Kirche verlieren."

04.03 Tod und Zerstörung


"Im Krieg fand der Nationalsozialismus zu sich selbst", diese Aussage des Hitler-Biographen Kershaw charakterisiert die auf Tod und Zerstörung angelegte Politik der N S -Bewegung und ihres Führers genau. Seit Kriegsbeginn kämpften Erlanger Soldaten an allen Fronten, Polizeibeamte mussten in den besetzten Gebieten des Ostens, in denen ein Vernichtungsfeldzug stattfand, ihren Dienst verrichten. Mehr als 300 Kriegsgefangene aus Polen und Russland waren als Zwangsarbeiter in Erlanger Betrieben tätig, noch 1945 sollten gefangene Russen die Burgbergkeller für die Rüstungsindustrie ausbauen.

Im Gegensatz zur brennenden "Stadt der Rechsparteitage" hatte die "Universitätsstadt der Reichsparteitage" nur zwei britische Bombenangriffe in Büchenbach und Buckenhof zu überstehen. Erlangen wurde zum Zufluchtsort für fast 1000 Kinder aus den durch Flächenbombardements verwüsteten Städten in West- und Norddeutschland. Der Satz des Universitätsrektors Reinmöller aus dem Friedensjahr 1934:

"Wer fällt, der kann's verschmerzen, er hat das Himmelreich"

war angesichts der großen Anzahl Gefallener purer Zynismus eines verblendeten Ideologen.

Dem stellvertretenden Oberbürgermeister Herbert Ohly und dem Kampfkommandanten Werner Lorleberg gebührt das Verdienst Erlangen am 16. April 1945 vor der Zerstörung durch amerikanische Truppen gerettet zu haben - auch wenn Lorleberg seine mutige Tat mit dem Tod bezahlte.

 

Nach dem Sieg über den Faschismus wurden die Hakenkreuze von den öffentlichen Gebäuden - wie hier in dem Rund über dem Eingang des Amtsgerichts - entfernt. Von ihren Ehrenbürgern Julius Streicher und Adolf Hitler verabschiedete sich die Stadt erst später. Im April 1983 wurden sie aus der Liste gestrichen.


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