Student im Mittelpunkt
Die Spitze gibt das Ziel vor
Prof. Karl-Dieter Grüske ist ob l. April Rektor der Friedrich-Alexander-Universität
Die Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg
soll sich als Spitzen-Universität etablieren: Mit diesem Programm tritt
Prof. Karl-Dieter Grüske am 1. April als neuer Rektor an.
1. Herr Prof. Grüske, in welche Zukunft wollen Sie
die FAU führen?
Grüske:
Grundsätzlich geht es darum, dass die Universitäten in Zukunft verstärkt
einem nationalen und internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, und dass sie
wachsenden gesellschaftspolitischen Ansprüchen begegnen müssen. Die
FAU muss sich diesen Herausforderungen stellen, und zwar auf verschiedenen Ebenen.
2. Welche Ebenen sind dies?
Grüske:
Das betrifft erstens die Forschung: Es kommt darauf an, die besten Forscher
an die Universität zu ziehen. Es geht zweitens um Studierende, und zwar
auch hier um die Besten aus aller Welt. Außerdem wird es längerfristig
darum gehen, Quantitäten an die Universitäten zu holen. Denn wir können
damit rechnen, dass es nach dem "Studentenberg", den wir jetzt erst
noch vor uns haben, mit den Anfängerzahlen wieder abwärts gehen wird.
Und es gibt drittens einen Wettbewerb um Ressourcen, die sowohl staatlich wie
privat immer knapper werden.
3. Wie wollen Sie die FAU für diesen Wettbewerb rüsten?
Grüske;
Wir brauchen dazu eine systematische Analyse unserer Stärken und Schwächen,
um daran erforderliche Maßnahmen ausrichten zu können. Dabei gilt
es, vor allem die Stärken soweit zu verbessern, dass wir zu Spitzenleistungen
im internationalen Vergleich fähig sind. Das haben wir heute zu einem guten
Teil bereits erreicht. Was uns noch fehlt, ist eine entsprechende Darstellung
nach außen. Selbst nach innen beobachte ich immer wieder, dass sich die
Universität selbst viel zu wenig kennt.
4. Wo sehen Sie zurzeit speziell die Stärken der
FAU?
Grüske:
Zu unseren Stärken zählen beispielsweise die zahlreichen Sonderforschungsbereiche
in Medizin, Technik und Naturwissenschaften. Gemessen an der Drittmittel-Einwerbung
je Professor sind wir an der Technischen Fakultät die Nummer eins in Deutschland.
Zudem haben wir durch die Technische Fakultät als integriertem Faktor einen
deutlichen Vorteil, weil wir damit eine Vernetzung zu fast allen anderen Fakultäten
herstellen können. Für rein technische Universitäten ist das
sehr viel schwieriger. Ein weiterer Punkt, den ich als Stärke ansehe, ist
unser Fächerangebot, eines der vielfältigsten in Deutschland.
5. Und an welchen Stellen erkennen Sie die Probleme?
Grüske:
Ein Problem ist zum Beispiel unser Profil in Forschung und Lehre, das gerade
wegen der Vielfalt noch zu wenig transparent ist. Wir haben komplexe Strukturen
mit differenzierten, zum Teil gegensätzlichen Interessen, wir haben eine
räumliche Zersplitterung innerhalb Erlangens und die Bilokalität mit
Nürnberg, unsere Verwaltungsstrukturen könnten noch service-orientierter
sein. Die Infrastruktur ist zum Teil vernachlässigt, unsere Corporate Identity
könnte besser ausgeprägt sein - und die Dominanz des Münchner
Raumes in Bayern ist stark.
6. Mit welchem Konzept wollen Sie diese Probleme anpacken
?
Grüske:
Vor diesem Hintergrund ergeben sich die beiden Zielsetzungen, mit denen ich
antrete, nämlich eine Integration nach innen und eine gleichzeitige Profilierung
nach außen. Im Innenverhältnis gilt es vor allem, die Leitungsstrukturen
neu zu ordnen und dabei Organisation und Kommunikation zu verbessern. Nach außen
soll unser Profil in Forschung und Lehre geschärft und in der Öffentlichkeit
präsenter werden.
7. Stichwort neue Leitungsstrukturen: Können Sie
Ihre Vorstellungen dazu näher erläutern ?
Grüske:
Was ich anstrebe, ist mehr Transparenz der Entscheidungen und mehr Dezentralisierung.
Fachliche Entscheidungen sollten im Wesentlichen dort getroffen werden, wo die
Fachkompetenz dazu besteht, nämlich an den Fakultäten, Instituten
und Lehrstühlen, Auf der anderen Seite haben wir ein gewisses Konfliktpotenzial
dadurch, dass die Hochschulleitung und die Universität als Ganzes versuchen
muss, Forschungskompetenzen zu Schwerpunkten zu bündeln, die profilbildend
wirken sollen. Schwierig wird das Ganze dadurch, dass auf der fachlichen Ebene
nicht von außen in die Fakultäten hinein reglementiert werden soll,
schon allein deshalb nicht, weil sich die eigentliche Stärke der Forschung
gerade aus der Freiheit des einzelnen Wissenschaftlers ergibt, die geschützt
werden muss. Auf der anderen Seite sollten sich Forschungen in gewisse, generell
profilgebende Strukturen einordnen lassen.
8. Und wie soll dieser Gordische Knoten aufgelöst
weiden?
Grüske:
Indem die Fakultäten stärker in die Leitungs- und Verantwortungsstrukturen
eingebunden werden. Insofern würde ich von der Experimentierklausel des
Hochschulgesetzes Gebrauch machen und die Fakultäten über die Dekane
in eine erweiterte Hochschulleitung einbeziehen. Damit gäbe es auch eine
bessere Identifikation mit hochschulpolitischen Entscheidungen. Ich könnte
mir auch vorstellen, dass ergänzend zu den regelmäßig tagenden
Gremien kompetente Arbeitsgruppen spezielle Aufträge bekommen und diese
in einer bestimmten Zeit lösen.
9. Sie sprachen da von, dass die Verwaltung noch service-orientierter
sein könnte.
Grüske:
Zu meinen Zielen gehört es, die Verwaltung unter anderem zu einem Service-Zentrum
für die Studierenden ausbauen. Denn die Studierenden sind für unser
Gesamtsystem der entscheidende Faktor, Wissen ist unser einziger Rohstoff in
Deutschland, und den müssen wir pfleglich behandeln. Deshalb haben wir
das Modell "Studierende im Mittelpunkt", abgekürzt "Stirn",
entwickelt, das auf allen Ebenen durchgesetzt werden soll. Dazu gehören
ein verbessertes Informations- und Beratungs-Angebot bis hin zum Career-Service.
Dazu gehören auch intelligente Lösungen, Warteschlangen zu bewältigen.
Unmittelbar damit zusammen hängt die konsequente Nachwuchs- und Frauenförderung.
10. Was hat man sich darunter vorzustellen?
Güske:
Die Studenten-Orientierung ist als langfristige Personalentwicklungs-Planung
zu sehen. Wir sollten geeigneten Nachwuchs konsequent fördern, indem wir
Promotions- und Habilitationsordnungen überarbeiten, um die Qualifizierungszeiten
zu verkürzen. Wir sollten stukturierte Doktoranden-Studien einführen,
Graduiertenkollegs pflegen und Nachwuchswissenschaftler, die auf internationale
Kongresse gehen oder publizieren wollen, finanziell besser unterstützen.
Außerdem sollten wir Mitarbeiter im Bereich der Lehre konsequent schulen.
11. Was planen Sie konkret unter dem Stich wart Frauenförderung?
Grüske:
Tatsache ist, dass Frauen im wissenschaftlichen Bereich offensichtlich unterrepräsentiert
sind. Es sind in der Regel einfach zu wenig Bewerbungen da. Ich halte deshalb
nichts von einer Frauenquote, sondern davon, die Zahl der qualifizierten Wissenschaftlerinnen
zu steigern. Das beginnt an jedem Lehrstuhl bei der Besetzung von Assistentenstellen,
wo man Frauen gezielt ansprechen kann, die sich durch ihre Studienleistungen
besonders hervorgetan haben. Wir haben häufig hervorragende Absolventinnen,
die nicht auf den Posten auftauchen, für die sie durchaus geeignet wären.
12. Woran liegt das Ihrer Meinung nach, und was wollen
Sie dagegen tun?
Grüske:
Es liegt an den Rahmenbedingungen für Frauen, die dringend verbessert werden
müssen. Gerade die Qualifizierungszeit hängt häufig mit der Familiengründung
zusammen. In den Geistes Wissenschaften ist die Möglichkeit der Vereinbarkeit
von wissenschaftlicher Arbeit und Familie häufiger gegeben, auf Grund der
PC-Anbindung zu Hause. Es ist natürlich dort schwieriger, wo man Laborplätze
oder technische Einrichtungen braucht. Aber auch dort kann man versuchen, über
flexible Arbeitszeiten für Frauen mit Kindern voranzukommen. Da müssen
wir als universitärer Arbeitgeber mit entsprechendem Beispiel vorangehen.
13. Nun zum Außenverhältnis: Wie stellen Sie
sich die Profilierung über Forschungsschwerpunkte vor?
Grüske:
Die Vielfalt der klassischen Universität kann man nicht dadurch verändern,
dass man sich nur noch auf wenige Schwerpunkte konzentriert. Ich will auch nicht
einen Kahlschlag kleiner Fächer vornehmen, im Gegenteil1 Weil wir die kleinen
Fächer haben, besteht die Möglichkeit, diese in das Gesamtkonzept
einzubinden und zwar in Form von Strukturplänen, die die Fakultäten
- koordiniert von der Hochschulleitung - selbst erarbeiten. Wissenschaftlicher
Fortschritt findet heute weniger im Kern der Disziplinen statt, als vielmehr
an den Rändern. Dort kommen sie automatisch zu den interdisziplinären
Beziehungen, und genau da spielt die wissenschaftliche Musik. Wenn wir uns gegenüber
anderen Universitäten profilieren wollen, können wir das nur Über
die Vernetzung mit speziellen Forschungseinrichtungen, die andere Universitäten
nicht in dieser Form haben und sich nur von außen holen können -
mit entsprechenden Reibungsverlusten, die es bei uns nicht geben muss.
14. Sie erwähnten bereits, dass das Profil der FA
U noch zu wenig nach außen transparent int. Wie wollen Sie das ändern?
Grüske:
Wir brauchen eine konsequente Öffentlichkeitsarbeit sowie Marketing nach
innen und nach außen. Ein Beispiel: Wir haben bereits heute eine der höchsten
Ausländer-Anfängerquoten in Deutschland. Dies trägt zu dem erklärten
Ziel der Internationalisierung der FAU bei. Eine andere Zielgruppe sind Sponsoren,
die wir deshalb brauchen, weil der Staat die Universitäten unterfinanziert
und weil wir nicht davon ausgehen können, dass in absehbarer Zukunft mehr
Mittel zur Verfügung stehen. Wir haben bereits eine intensive Zusammenarbeit
mit der Wirtschaft, aber ich denke, dass trotzdem noch eine ganze Rehe von Kapazitäten
nicht genutzt sind. In diesem Zusammenhang halte ich es für sehr wichtig,
die Alumni-Netzwerke zu fördern. Ich meine, "friend-raising"
kommt vor "fundraismg'': Zuerst muss man sich Freunde machen, die man dann
um Sponsorenmittel bitten kann.
Bild folgt:
"Bei der Frauenförderung müssen wir mit entsprechendem Beispiel
vorangehen."
Fotos: Bernd Böhner
Bild folgt:
"Die Studierenden sind der entscheidende Faktor. Deshalb wollen wir sie
in den Mittelpunkt stellen."
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