Genscreening, Gendateien,
genetischer Fingerabdruck
Bundesinnenminister Manfred Kanther, Hardliner in Sachen Abschiebung von Ausländern
und Kryptoregulierung, ordnete die Einrichtung einer Gendatei beim Bundeskriminalamt
an; zeitgleich wurden 18.000 Männer zu einer Speichelprobe "gebeten" nachdem
die 11-jährige Christina Nytsch ermordet wurde.
Über Details und Probleme berichtet dieser Artikel.
Forderung
- Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) möchte in der Gendatei alle Personen
erfassen, die Verbrechen "von erheblicher Bedeutung" begannen haben. Darunter fallen
nicht nur Kapitalverbrechen wie Mord, sondern auch Wiederholungstäter. Kanther ist
außerdem der Meinung, dass die bestehenden Gesetze für diese Datei ausreichen.
- Der Bundesjustizminster Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) wird konkreter:
nur Personen die Verbrechen, die mit mehr als einem Jahr Gefägnis bedroht sind,
begehen, sollen erfasst werden. Außerdem fordert er eine (neue) gesetzliche
Grundlage.
- CSU-Justizminister Hermann Leeb möchte einen Gen-"Abdruck" bei jeder
erkennungsdienstlichen Behandlung anfertigen lassen
Details
Ein Verbrecher hinterlässt an einem Tatort immer Spuren. Fingerabdrücke
können zwar mit Handschuhen vermieden werden, aber Körperzellen, z.B. aus
Blut, Haut, Haaren, Speichel oder Sperma sind immer vorzufinden. In Deutschland darf
ein "genetischer Fingerabdruck" nicht als alleiniges Beweismittel verwendet werden, so
regelt es ein Gesetz, das seit Februar 1997 in Kraft ist. Gentechnische Untersuchungen
wie die Ermittlung von Erbanlagen oder Persönlichkeitsmerkmalen sind nicht
erlaubt; der genetische Fingerabdruck darf nur nach richterlicher Anordnung vorgenommen
werden.
Beim genetischen Fingerabdruck wird die Desoxyribonukleinsäre (DNS), die den
genetischen "Bauplan" eines Menschen enthält, aus den kernhaltigen Zellen isoliert.
Danach wird das DNS-Molekül mit Hilfe von Enzymen an vorher bestimmten Stellen in
Millionen unterschiedlich langer Bruchstücke zerteilt. In einem elektrischen Feld
werden die einzelnen Stränge nach ihrer Größe sortiert und anschließend
der Länge nach aufgetrennt. Jetzt können radioaktive markierte "Sonden" an die
passenden Stellen andocken; die Positionen der Sonden werden auf einem Röntgenfilm
als "Banden" sichtbar gemacht. [Aus: "Aktuell 98, Harenberg Lexikon der Gegenwart"].
Probleme
Ob die Speichelproben von 18.000 Männern zwischen 18 und 30 (?) Jahren aus der
(räumlichen) Umgebung von Christina Nytsch der richtige Weg ist, darf bezweifelt
werden. Der Täter kommt vielleicht gar nicht aus dieser Region, vielleicht ist
der Täter auch älter und selbst wenn er in dieses Raster passt (Alter und
Herkunft): 6.000 Personen sind noch nicht zur Speichelabgabe angetreten. Der Spiegel
titelt ganz richtig: "Stochern im Heuhaufen".
Stellt sich heraus, dass eine der Speichelproben mit den Spuren am Tatort
übereinstimmt, ist der Täter noch lange nicht überführt. Ein
Experte (den Namen weiß ich nicht mehr und ob er wirklich Experte war kann ich
auch nicht sagen, aber es klingt einleuchtend) meinte in der SAT.1-Sendung "Akte 98/16"
(sinngemäß): Ein übereinstimmtendes Muster bei Speichelprobe und
Spuren am Tatort kann nur zweifelsfrei den Spurenverursacher identifizieren, nicht den
Täter. Beispiel: Wird bei der Abnahme des genetischen Fingerabdrucks oder im
Labor geschlampt (Pipette nicht ausgewechselt...), dann ist das Ergebnis nichts mehr
wert.
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