Am 31. März haben sieben amerikanische Bundesstaaten eine Erweiterung des Digital Millenium Copyright Act (DMCA) beschlossen. Diese mittlerweile "Super-DMCA" genannte Erweiterung ist unter dem Druck der Lobbyarbeit der MPAA unter anderem im US-Bundestaat Michigan verabschiedet worden.
Ein erstes Opfer der verschärften Gesetzgebung ist der Diplom-Informatiker Niels Provos aus Bad Schwartau, der am Center of Information Technology Integration der Universität von Michigan an einer Promotion arbeitet. Provos, bekannt für seine Mitarbeit an der Entwicklung von OpenSSH für OpenBSD und Autor des Honeypot-Daemons Honeyd, ist ein ausgewiesener Experte für Verschlüsselungstechnologien, insbesondere der Steganografie. Entsprechend lautet das Thema seiner nahezu abgeschlossenen Dissertation "Statistical Steganalysis".
In dieser Form verletzt die akademische Forschungsarbeit indes den Super-DMCA von Michigan, der im Ergänzungs-Paragraph 3 jegliche Literatur (written instructions) verbietet, die dazu benutzt werden könnte, ungesetzliche Kommunikationsgeräte in dem Sinne herzustellen, dass die Geräte Kommunikation verschlüsseln, entschlüsseln oder verzerren können. Aus diesem Grunde entschied sich Niels Provos für ein "proaktives Vorgehen" und siedelte die gesamte Forschungsarbeit, die vom Super-DMCA betroffen ist, auf einen holländischen Server um. Wer sich auf diesem Internet-Angebot informieren will, muss eine Erklärung abgeben, dass er sich außerhalb der USA befindet, kein Bürger der USA ist und sich in einem Land aufhält, in dem die Verbreitung von Informationen über Kryptografie und Steganografie nicht verboten ist.
Mit Bedacht wählte Niels Provos dabei kein deutsches Hosting. "Leider ist Deutschland dabei, ein Paradebeispiel für ein europäisches DMCA-Gesetz zu installieren, das sämtliche Fair-Use-Rechte an die Entertainmentindustrie abgibt, Forschung in vielen Gebieten der Informatik verbietet und Innovationen behindert", erklärte Provos gegenüber heise online. Seine pessimistische Bewertung der neuen deutschen Rechtlage hält Provos nicht hinter dem Berg: "DMCA ist ein Innovationskiller und folglich auch eine Bremse für den Wirtschaftsaufschwung. Wenn Deutschland aus seiner Wirtschaftskrise wieder heraus kommen möchte, dann ist es wichtig, keine Gesetze zu verabschieden, die es Konzernen der Medienindustrie erlauben, einen Bann auf Forschung und Entwicklung zu legen."
Innerhalb der akademischen Welt hat Provos Vorgehen für Aufsehen gesorgt. Mit Ausnahme von DMCA-Aktivisten wie Dave Touretzky oder Edward Felten und Lawrence Lessig gibt es wenige Wissenschaftler, die sich über das Ausmaß der Einschnitte im Klaren sind, die bei Anwendung des Super-DMCA drohen. "Die Reaktion von Akademikern auf meinen Schritt ist häufig Unglauben, gemischt mit der Hoffnung, dass das Ignorieren der ganzen Sache das Gesetz schon verschwinden lässt", hat Provos beobachtet. Seine Dissertation befindet sich kurz vor der Veröffentlichung und wird von der University of Michigan publiziert, nicht zuletzt deswegen, weil die Behörden die Tragweite des neuen Gesetzes noch nicht ganz realisiert haben. "Ich hoffe, dass die amerikanische Öffentlichkeit, wenn sie denn erstmal auf das Problem aufmerksam geworden ist, das Gesetz entweder entfernt oder abändern wird", erklärte Provos gegenüber heise online. (Detlef Borchers) / (jk/c't)