Originals
Hope Tarr
Tempting
Jove, September 2002, 308 Seiten, $5,99Als Simon Belleville, Vorsitzender der königlichen Kommision zum Schutz von Moral und Tugend, bei einer Razzia die junge Frau, nur mit einem Nachthemd bekleidet, auf dem Dachboden eines filzigen Bordells findet, steht für ihn fest, dass man sie zur Prostitution gezwungen hat. Eigentlich müsste er sie mit den anderen "Täubchen" nach Newgate, aber irgendwie kann er das nicht. Selbst am meisten von der Erkenntnis überrascht, dass sein Herz keineswegs so kalt und abgebrüht ist, wie er es sich immer eingebildet hatte, nimmt er die junge Christine erst einmal mit zu sich nach Hause. Irgendwie gelingt es ihr, in ihm die ungeliebte Erinnerung an seine Jugend wachzurufen, in der er selbst vom Glück benachteiligt ein ärmliches Leben auf Londons Straßen geführt hatte.
Dass sein Schützling in ihm einen Ritter in schimmernder Rüstung sieht, der sie vor einem schlimmen Schicksal gerettet hat, ist nur allzu verständlich. Doch so vielversprechend seine Pläne, ihr eine vernünftige Erziehung angedeihen zu lassen, sodass sie einmal in einem vornehmen Haushalt Arbeit finden kann, auch klingen, so bedrückt macht Christine auch die Aussicht, Simon nicht mehr regelmäßig zu sehen. Aber schließlich muss sie auch an ihre Geschwister denken, die darauf angewiesen sind, dass sie ihnen Geld schickt - und das Gehalt einer Kammerzofe oder Gouvernante würde ihr das erlauben. So landet das Mädchen vom Land in einer privaten Schule, wo sie sich rasch gut einlebt und große Fortschritte macht. Auch Simon kann Christine einfach nicht vergessen; als ihn die Nachricht der Leiterin der Schule, einer guten Freundin von ihm, erreicht, dass sich verschiedene junge Männer für Christine interessieren, fasst er den jähen Entschluss, sie als seine Cousine auszugeben und mit sich aufs Land zu nehmen, um ihre Erziehung zu vervollkommnen. Ob das für seine Seelenruhe eine kluge Entscheidung war, ist allerdings zweifelhaft ...Eine wunderschöne Liebesgescichte, die das Thema von "My Fair Lady" auf gelungene Weise aufgreift und zu einem originellen und durch und durch lesenswerten Roman verarbeitet. Hope Tarr erzählt gekonnt und mit einem leichten Augenzwinkern von dem wackeren Helden, der sich hoffnungslos in seinen eigenen Netzen verfängt - herrlich!
© by Ute-Christine Geiler, M.A.
13.10.02 21:59:15