Elektrofahrzeuge in La Rochelle Flottenversuch mit je 25 Elektrofahrzeugen des Typs Peugeot 106 und Citroen AX von Christian Dürschner (Januar 1995)
Entstehungsgeschichte und Zeitplan Das Experiment begann Anfang 1994 in La Rochelle und sieht die Teilnahme von 25 Peugeot 106 und 25 Citroen AX mit Elektroantrieb im Straßenverkehr vor. Die beiden Hersteller haben die Produktion dieser Elektrofahrzeuge selbst in die Hand genommen und sehen den Versuch als Generalprobe für den Mitte 1995 geplanten Beginn der Serienfertigung dieser Modelle an.
Die Aufgabenverteilung
Die Ziele des Großversuchs
Elektrofahrzeuge in La Rochelle In diesem Kontext erhielt die Suche nach stadtverkehrstauglichen, leisen und sauberen Nutzfahrzeugen zwangsläufig einen hohen Stellenwert. Vor diesem Hintergrund entstand in La Rochelle ein Regionalverband für die Förderung von Elektrofahrzeugen. Von den insgesamt 40 Elektroautos, die über einen bestimmten Zeitraum gleichzeitig in La Rochelle angemeldet waren, entfielen bis zum heutigen Tag 13 Elektrofahrzeuge vier verschiedener Marken auf die Dienststellen der Stadt und des Stadtverbandes. Es handelte sich dabei um Liefer-Dreiräder, Rocaboy-Kastenwagen, Citroen C15 und Volta Pick-Ups, die für so unterschiedliche Aufgaben wie das Entleeren der Abfallkörbe in der Fußgängerzone, die Postzustellung, die Pflege der Grünanlagen oder Sondernotdienste eingesetzt wurden. Die Stadtverwaltung und die Kommune können insgesamt auf mehr als 115.000 Betriebskilometer mit Elektrofahrzeugen verweisen, so daß La Rochelle heute über einen großen Fundus an Erfahrungen und Wissen auf diesem Gebiet verfügt. Mit der Unterzeichnung des Vertrages zwischen der Stadt La Rochelle, PSA Peugeot Citroen und EDF hält das Elektroauto Einzug in das Alltagsleben der Bürger von La Rochelle. In einigen Monaten schon werden die Elektroautos im Stadtbild keine futuristische Erscheinung mehr sein, sondern ein Meilenstein auf dem Weg zur Modellstadt von morgen. Ohne Zweifel wird der Einsatz von Elektrofahrzeugen bis zur Jahrtausendwende in den Städten weiter zunehmen.
Wissenschaftliche Begleitung
EDF und das Elektrofahrzeug EDF ist als Forschungsstelle, Stromlieferant, Experte und Berater der Kommunen an der Entwicklung des Elektrofahrzeuges beteiligt. Als erster Nutzer von Fahrzeugen mit E-Motor trägt EDF zur Weiterentwicklung der hierfür eingesetzten Technologien bei: Die hauseigene Flotte von rund 300 Elektroautos dient als Experimentierfeld für Parameter wie Fahrerverhalten, Wartung, Kosten etc. Das auf diese Weise gewonnene Know-how steht den Kommunen zur Verfügung. Mit allen der auf freiwilliger Basis teilnehmenden Städte werden Vereinbarungen unterzeichnet, die den Rahmen für die Zusammenarbeit abstecken und Details wie die innerstädtische Infrastruktur, die Wartung und Ausbildung usw. regeln. Als Stromversorgungsunternehmen beteiligt sich EDF aktiv an Untersuchungen über die technischen Voraussetzungen für die Energieversorgung der Fahrzeuge und die hierfür erforderliche urbane Infrastruktur. Dazu gehören die Entwicklung der Normal- und Schnelladestationen, ihre geographische Verteilung (Parkplätze und Parkhäuser, Straßennetz, private oder öffentliche Tiefgaragen usw.), die Optimierung der Sicherheitstechnik und die Normung des eingesetzten Materials. Als unterstützende Maßnahme hat EDF im Februar 1992 in La Rochelle das Nationale Ausbildungszentrum für Elektrofahrzeuge CNFVE gegründet. Das Zentrum steht den Nutzern von Elektroautos innerhalb des Unternehmens offen und hat bisher nicht nur rund 200 Personen in der Materie ausgebildet, sondern bietet auch Vertretern der Kommunen und anderer Unternehmen, die ADEME-Förderungsgelder des Umweltministeriums in Anspruch nehmen können, die Möglichkeit, sich zu informieren. Die angebotenen Lehrgänge zielen in erster Linie darauf ab, das Fahrverhalten zu ändern und den Fahrern beizubringen, mit dem Energievorrat ihres Fahrzeuges hauszuhalten und auf diese Weise seine Reichweite zu erhöhen. Die Forschungsabteilung von EDF verfügt zusammen mit den Partnern aus der Industrie für die kommenden drei Jahre über einen Etat von mehr als 30 Mio. Francs, um die ersten mit den Elektrofahrzeugen gewonnenen Erfahrungen erfolgreich zu nutzen. Das Programm beinhaltet die Entwicklung von Geräten für das Normal- und Schnelladen von Fahrzeugen. Diese Geräte müssen mit allen Batteriemodellen und -typen kompatibel sein. Weitere Programmschwerpunkte sind die Normungsarbeit auf europäischer Ebene und die weitere Entwicklung bis zur Serienreife. In RenardiŠres testet EDF außerdem auf Prüfständen die bisher erhältlichen (Blei-Säure, Blei-Gel, Nickel-Cadmium) oder in der Entwicklung befindlichen Batterietypen (Natrium-Schwefel, Natrium-Nickelchlorid) und forscht nach neuen Wegen, wie man die Reichweite der Fahrzeuge verbessern könnte. Besonders die Werkstoffpaarung Lithium-Polymere erscheint hier vielversprechend. EDF beteiligt sich ebenfalls an der Entwicklung intelligenter Module, die beim Wiederaufladen eine Beschädigung der Batterie sicher ausschließen. EDF stellt den Herstellern Mittel wie Prüfstände und EDV-Simulationsprogramme zur Verfügung, die das Unternehmen für die Konstruktion eigener, in den Kraftwerken eingesetzter Elektromotoren entwickelt hat. Darüberhinaus beteiligt sich EDF an der Entwicklung neuer Technologien zur Steigerung der Motorleistungen.
PSA Peugeot Citroen und das Elektrofahrzeug Bereits 1989 hat PSA Peugeot Citroen den Peugeot J5 und den Citroen C15 und C25 als Nutzfahrzeug für den Fuhrpark von Unternehmen, Kommunen und städtischen Dienststellen eingeführt. 1995 findet die Kommerzialisierung des Peugeot 106 sowie des Citroen AX mit Elektromotor für Unternehmen und Behörden, aber auch für Privatleute statt, außerdem wird ein Mietbatteriesystem eingeführt. Gegen Ende des Jahrzehnts wird eine spezielles Elektrofahrzeug produziert, das für den Einsatz im Stadtbereich optimiert wurde. Der Citroen Citela ist ein Vorläufer dieses praktischen, modular aufgebauten und benutzerfreundlichen Fahrzeugtyps. Langfristig ist eine vierte Etappe geplant: das Elektrolangstreckenfahrzeug mit Gasturbine (Projekt VERT). Das VERT-Programm befindet sich noch im Entwicklungsstadium und beruht auf dem Konzept eines Fahrzeuges, das durch einen bordeigenen Stromerzeuger (Gasturbine) über eine wesentlich größere Reichweite verfügt. Um nicht nur Prototypen, sondern einsatzfähige Serienfahrzeuge konzipieren und bauen zu können, mußte PSA Peugeot Citroen über verläßliche Nachfrageprognosen verfügen und zusammen mit seinen Partnern aus der Industrie gezielte Entscheidungen über umfassende Investitionen treffen. Der Konzern hat für das Projekt Mittel in Höhe von 600 Mio. Francs bereitgestellt und verschiedene Vertäge über die Lieferung von Motoren (Fa. Leroy-Somer), von elektronischen Steuer- und Regeleinrichtungen (Fa. Sagem) und von Nickel-Cadmium-Batterien (Fa. Saft) abgeschlossen. PSA Peugeot Citroen wird über eine Zeitraum von 18 Monaten in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung von La Rochelle und EDF die Alltagstauglichkeit von 25 Peugeot 106 und 25 Citroen AX mit Elektroantrieb testen. Diese Fahrzeuge werden gegen eine geringe Gebühr (1.000 Francs pro Monat für einen Peugeot 106 und 900 Francs für einen Citroen AX) an die Benutzer - Privatleute, Behörden, Firmen - vermietet. Dieser an der Praxis orientierte Versuch soll zeigen, ob das Elektrofahrzeug für den Alltagseinsatz in der Stadt geeignet ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Experiments ist das Erfassen wichtiger Daten über die Automobile, die Ladestationen und das Fahrverhalten der Benutzer. Diese Daten können als Basiswissen für eine flächendeckendere Einführung von Elektrofahrzeugen im Stadtbereich dienen. Die Entwicklung des Elektrofahrzeuges beruht auf der gemeinsamen Projektarbeit mehrer Partner: Automobilhersteller, Energieversorger, Stadtverwaltung und Behörden. Bereits heute haben sich 25 Städte in Frankreich vorgenommen, in den nächsten Jahren das Elektroauto in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und zu fördern. Für die Stadtverwaltungen beinhaltet der Einsatz von Elektrofahrzeugen die Einrichtung von Selbstbedienungs-Ladestationen im gesamten Straßennetz der Stadt sowie auf öffentlichen und privaten Parkplätzen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt unterzeichnet PSA Peugeot Citroen mit diesen Städten Partnerschaftsverträge über die Lieferung der Elektroautos, über die technische Ausbildung und über die Wartung der Fahrzeuge. So hat z.B. die Stadt Paris mit PSA Peugeot Citroen ein Vertragsprotokoll über den Ausbau des städtischen Fuhrparks und über die Förderung des Privateinsatzes von Elektroautos durch die Pariser Stadtbewohner unterzeichnet. PSA Peugeot Citroen stellt seine Elektrofahrzeuge nicht nur Behörden- und Unternehmensfuhrparks sowie Privatpersonen zur Verfügung, sondern will auch interessierten Benutzern ebenfalls die Möglichkeit eröffnen, diese Fahrzeuge nach dem Self-Service-Prinzip zu mieten. Dieses System des "öffentlichen Individualverkehrs" ergänzt die vorhandenen städtischen Nahverkehrsmittel und ermöglicht den Benutzern, mit einer einfachen Magnetkarte an verschiedenen, über das gesamte Stadtgebiet verteilten Stellen ein Elektrofahrzeug zu übernehmen. Erste Versuche mit diesem System sind 1995 in Tours mit einer Flotte von Peugeot 106 mit Elektroantrieb vorgesehen. Das System ist eine Gemeinschaftsentwicklung von PSA Peugeot Citroen mit der Fa. VIA GTI, die ca. 100 Nahverkehrsnetze in Frankreich betriebt, und CEGELEC, dem führenden französichen Elektrokonzern.
In La Rochelle eingesetzte Elektrofahrzeuge Der Antrieb erfolgt über einen fremderregten Gleichstrommotor mit einer Nennleistung von 11 kW und einer Maximalleistung von 20 kW. Der Motor liefert eine Drehzahl bis maximal 6.500 U/min, sein maximales Drehmoment liegt bei 127 Nm bei Drehzahlen zwischen 0 und 1.600 U/min. Die Höchstgeschwindigkeit der Fahrzeuge beträgt 90 km/h, mit Blei-Batterien erreichen sie eine maximale Reichweite von rund 50 km, mit Nickel-Cadmium-Batterien liegt die maximale Reichweite bei rund 75 km. Das "Lebendgewicht" des Peugeot 106 liegt im fahrbereiten Zustand bei 1.050 kg (mit Ni-Cd-Batterien), bei Citroen AX bei 975 kg (mit Ni-Cd-Batterien). Beide Fahrzeuge haben jeweils eine Zuladung von maximal 300 kg. Zusätzlich sind die Fahrzeuge mit einer Servolenkung, einem Schiebedach, einer Zentralverriegelung, einem Heckscheibenwischer, einem Autoradio und einem fünf Meter langen Ladekabel für die hauseigenen oder öffentlichen Ladestationen ausgestattet.
Ladestationen Um jedoch die Versorgung der Elektrofahrzeuge mit Strom zu jede Zeitpunkt und an jedem Ort zu gewährleisten, ist auch im städtischen Verkehrswegenetz eine ausreichend große Zahl von Ladestationen einzurichten. EDF hat deshalb spezielle Ladestationen entwickelt, die die Batterien innerhalb von acht Stunden komplett wieder aufladen. Diese "Normalladestationen" können auf Parkplätzen oder am Straßenrand aufgestellt werden. Um darüberhinaus das Risiko zu vermindern, unterwegs ohne Energie liegenzubleiben, hat EDF ebenfalls sogenannte "Schnell-Ladestationen" entwickelt, die mit der fünf- bis sechsfach höheren Leistung laden und auf diese Weise eine Notladung der Batterien ausführen können. Die Aufladung erfolgt über ein Kabel, das an der Ladestation befestigt ist, die Bedienung dieser Ladestationen erfolgt über speziell geschultes Personal. In ca. zehn Minuten hat die Batterie wieder einen Ladezustand erreicht, der eine Fahrstrecke von 20 km ermöglicht.
Die Ladestationen in La Rochelle
Die Chipkarte
Kosten beim Aufladen
Die Benutzer in La Rochelle Diese Round-Table-Gespräche führte zu folgenden Ergebnissen: Anbieten von Informationsveranstaltungen mit einer ausführlichen und genauen Darstellung der Thematik und der Fahrzeuge, ihrer Leistungen und ihrer Verwendung im Rahmen des Pilotprojektes in La Rochelle und Anbieten von Sonderkonditionen für den Erwerb der ersten Peugeot 106 und Citroen AX mit Elektroantrieb.
Information - Marketing - Kommerzialisierung Um potentielle Kunden direkt ansprechen zu können, haben Peugeot und Citroen eine umfangreiche Mailingaktion gestartet, bei der alle, die Interesse an dem Flottenversuch gezeigt hatten, angeschrieben wurden. Parallel dazu wurde von den ortsansässigen Peugeot- und Citroen-Vertragshändlern jeweils ein Mitarbeiter abgestellt und speziell in der Technik der Elektrofahrzeuge ausgebildet. Diese Mitarbeiter haben zwischen Mai und Juli 1993 persönliche Gespräche mit allen Bewerbern geführt. Im Rahmen dieser Treffen wurde das Pilotprojekt in Details vorgestellt und als Informationsmaterial ein Video ausgehändigt, das die Fahrzeuge und ihre Leistungen und seinen praktischen Einsat beschreibt. Anfang September wurden die ersten drei Elektrofahrzeuge an die jeweiligen Vertragshändler übergeben. Bereits am 15. September begann die praktische Erprobung der Elektrofahrzeuge durch die Kandidaten unter der Aufsicht der Firmenbeauftragten. Nach Ablauf dieser Erprobungsphase wurden die Kandidaten nach Kriterien wie Geschlecht, Erwerbstätigkeit, Alter, Beruf, Status, tägliche Kilometerleistung etc. ausgesucht, um auf diese Weise ein repräsentatives Panel der unterschiedlichen privaten Nutzer von Elektrofahrzeugen zu erhalten und ihren Umgang mit den Elektrofahrzeugen und den Ladesystemen zu untersuchen. Die definitiv ausgesuchten Kandidaten unterzeichneten schließlich einen Monatsmietvertrag in Höhe von 1.000 FF für einen Peugeot 106 und 900 FF für einen Citroen AX. Der Vertrag hat eine Laufzeit vom 01. Januar 1994 bis zum 30. Juni 1995 und regelt das Mietverhältnis für das fahrzeug und die Antriebsbatterie, die Versicherung, die Wartung und die Bereitstellung eines Ersatzfahrzeuges. Neben 30 Privatpersonen (13 Männer, 17 Frauen) wurden auch lokale Unternehmen (5) und Behörden (3), die Stadtverwaltung von La Rochelle (5), EDF La Rochelle (5) und die Vertragshändler von PSA (2) ausgesucht. In den ersten 15 Monaten des Flottenversuches wurden mit den Elektrofahrzeugen bereits mehr als 500.000 km zurückgelegt, es wird erwartet, daß bis zum Abschluß des Flottenversuches insgesamt 700.000 Testkilometer zurückgelegt sein werden.
Ziel und erste Ergebnisse des Flottenversuches Die Haupterkenntnis einer ersten Bilanz ist folgende: Wenn es erst in Betrieb genommen ist, wird das Elektroauto als echtes Auto angesehen, im Gegensatz zu der meist vorher von einem solchen Fahrzeug gemachten Vorstellung (Kleinstwagen, führerscheinfreies Auto mit gedrosselter Leistung). Das Elektrofahrzeug erfüllt die Aufgaben eines echten Autos und liefert den gleichen Grad der Zufriedenheit wie ein normales Kraftfahrzeug, es bietet darüberhinaus ein neues Fahrvergnügen. Unter der Einbeziehung kleinerer Verbesserungen, die bezüglich der Stromtankstellen und der Elektrofahrzeuge ausgeführt wurden, zeigt das Experiment mit den Elektrofahrzeugen in La Rochelle, daß das auf diesem technischen Niveau angelangte Produkt verkauft werden kann. Der Versuch wird noch einige Monate fortgeführt. Die PSA-Gruppe hat sich entschlossen, die 50 getesteten Fahrzeuge gegen 50 neue Fahrzeuge des Modells auszutauschen, das ab Ende 1995 verkauft werden wird, um vor dem Verkaufsstart letzte Erfahrungen zu sammeln. Daneben werden im Jahr 1996 noch etwa 250 weitere Fahrzeuge an die Stadt- und Bezirksverwaltung von La Rochelle und an einen großen Autovermieter geliefert. Ab 1996 werden insgesamt 350 Elektrofahrzeuge in La Rochelle fahren. Darüberhinaus plant die PSA-Gruppe, den Bau von Elektrofahrzeugen zu forcieren und bis zum Jahr 2000 die Produktionszahlen bis auf etwa 50.000 Fahrzeugen jährlich zu steigern.
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