Elektrofahrzeuge in La Rochelle

Flottenversuch mit je 25 Elektrofahrzeugen des Typs Peugeot 106 und Citroen AX

von Christian Dürschner (Januar 1995)

Entstehungsgeschichte und Zeitplan
Im Dezember 1991 haben die PSA Peugeot Citroen, die Stadt La Rochelle und das französische Stromversorgungsunternehmen Electricité de France (EDF) ein Vertragsprotokoll unterzeichnet, das die Zusammenarbeit bei einem gemeinsamen Projekt regelt. Ziel dieses Projektes ist die Erprobung von Elektrofahrzeugen im Stadtverkehr unter realitätsnahen Einsatzbedingungen.

Das Experiment begann Anfang 1994 in La Rochelle und sieht die Teilnahme von 25 Peugeot 106 und 25 Citroen AX mit Elektroantrieb im Straßenverkehr vor. Die beiden Hersteller haben die Produktion dieser Elektrofahrzeuge selbst in die Hand genommen und sehen den Versuch als Generalprobe für den Mitte 1995 geplanten Beginn der Serienfertigung dieser Modelle an.

Die Aufgabenverteilung
PSA Peugeot Citroen übernimnmt die Lieferung, die Vermietung, die Wartung und die eventuell anfallenden Reparaturen der 50 Elektrofahrzeuge. Die Stadtverwaltung von La Rochelle sorgt für die Einrichtung von öffentlichen Parkplätzen, auf denen die Elektrofahrzeuge im Normalverfahren aufgeladen werden können. Die Stadt läßt die Elektrofahrzeuge kostenfrei parken und gibt zu diesem Zweck spezielle Plaketten aus. In den Aufgabenbereich der EDF fällt die Stromversorgung der Elektrofahrzeuge, dabei sind drei Modelle vorgesehen:

  • Aufladen durch die hauseigene Stromversorgung: Installation einer durch einen schnell ansprechenden Schutzschalter abgesicherten Steckdose.
  • Aufladen an öffentlichen Stationen oder auf privaten, dem Individualverkehr zugänglichen Parkplätzen: Installation dialogfähiger Ladestationen für die Kontrolle des Ladevorganges über Spezialsteckdosen an speziell von der Stadt eingerichteten Punkten. Die Abrechnung erfolgt ebenfalls über diese Station.
  • Aufladen an speziellen Service-Stationen: Installation von Anschlüssen zum Notaufladen. Eine Minute Schnelladung reicht für eine Fahrstrecke von 2 km.
Der Entwurf, die Lieferung, die Montage und die Betreuung dieser Ladestellen werden von EDF übernommen, die Kosten für den Verbrauch tragen die Nutzer. Der Versuch soll bis Mitte 1995 laufen, danach stehen die serienmäßig hergestellten Fahrzeuge zur Verfügung, um den Versuch fortzusetzen.

Die Ziele des Großversuchs
PSA Peugeot Citroen ist in erster Linie daran interessiert, die Fahrzeuge im praktischen Einsatz zu testen, die Erfahrungen der Benutzer und die Reaktionen der Öffentlichkeit auszuwerten und das Entwicklungspotential dieses Marktes auszuloten. Für die EDF geht es darum, ebenfalls unter Berücksichtigung der Alltagsanforderungen die Entwicklung der Ladestationen abzuschließen, die langfristig gesehen in allen Städten Frankreichs zum Einsatz kommen sollen. Das Experiment in La Rochelle wird Aufschluß über zukünftige Anforderungen und Probleme geben und gleichzeitig über ein neues Dienstleistungsangebot an die Kommunen die Einführung von Elektroautos fördern. Für die Stadt La Rochelle steht dieses Projekt in der logischen Folge der Bemühungen der Stadtväter, die Lebensqualität im urbanen Umfeld weiter zu verbessern und dieses Ziel durch innovative Methoden zu erreichen. So ist das Experiment ebenfalls eine wichtige Etappe bei der Erarbeitung einer zukunftsgerichteten Nahverkehrspolitik.

Elektrofahrzeuge in La Rochelle
Die Entwicklung des Elektrofahrzeuges in La Rochelle ist integraler Bestandteil einer Initiative für innovative und stadtplanerische Konzepte unter der Berücksichtigung wirtschaftlicher šberlegungen, die sich auf drei Themenbereiche konzentrieren: urbanes Umfeld, öffentlicher Verkehr und Elektrofahrzeuge.

In diesem Kontext erhielt die Suche nach stadtverkehrstauglichen, leisen und sauberen Nutzfahrzeugen zwangsläufig einen hohen Stellenwert. Vor diesem Hintergrund entstand in La Rochelle ein Regionalverband für die Förderung von Elektrofahrzeugen. Von den insgesamt 40 Elektroautos, die über einen bestimmten Zeitraum gleichzeitig in La Rochelle angemeldet waren, entfielen bis zum heutigen Tag 13 Elektrofahrzeuge vier verschiedener Marken auf die Dienststellen der Stadt und des Stadtverbandes. Es handelte sich dabei um Liefer-Dreiräder, Rocaboy-Kastenwagen, Citroen C15 und Volta Pick-Ups, die für so unterschiedliche Aufgaben wie das Entleeren der Abfallkörbe in der Fußgängerzone, die Postzustellung, die Pflege der Grünanlagen oder Sondernotdienste eingesetzt wurden. Die Stadtverwaltung und die Kommune können insgesamt auf mehr als 115.000 Betriebskilometer mit Elektrofahrzeugen verweisen, so daß La Rochelle heute über einen großen Fundus an Erfahrungen und Wissen auf diesem Gebiet verfügt.

Mit der Unterzeichnung des Vertrages zwischen der Stadt La Rochelle, PSA Peugeot Citroen und EDF hält das Elektroauto Einzug in das Alltagsleben der Bürger von La Rochelle. In einigen Monaten schon werden die Elektroautos im Stadtbild keine futuristische Erscheinung mehr sein, sondern ein Meilenstein auf dem Weg zur Modellstadt von morgen. Ohne Zweifel wird der Einsatz von Elektrofahrzeugen bis zur Jahrtausendwende in den Städten weiter zunehmen.

Wissenschaftliche Begleitung
Mit dieser Perspektive vor Augen wurde in La Rochelle das Zentrum für angewandte Forschung und Analysen im Bereich Elektroautos CERAVE gegründet. Neben CERAVE und der Fachhochschule engagieren sich ebenfalls das nationale EDF-Ausbildungszentrum und das CNFPT in der ständigen Vermittlung von beruflichen Fähigkeiten, die für den Bereich Elektrofahrzeuge wichtig sind. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es wünschenswert, daß in Europa zahlreiche Projekte mit Hunderten von Elektrofahrzeugen ins Leben gerufen werden, um aktiv an der Verbesserung der Lebensbedingungen in der Stadt mitzuarbeiten.

EDF und das Elektrofahrzeug
Wie alle elektrisch betriebenen städtischen Nahverkehrsmittel (Staßenbahn, U-Bahn oder Oberleitungsbus), unterscheidet sich auch das Elektroauto von den herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor durch seine ökologische Bilanz. Aufgrund seines geräuscharmen Betriebes und seiner Abgasfreiheit ist die Beeinträchtigung der Lebensqualität in der Stadt vernachlässigbar gering. Insgesamt gesehen schafft die Struktur der Elektrizitätsversorgung besonders in Frankreich (75 % des produzierten Stroms stammen aus Atomkraftwerken, 15 % aus Wasserkraftwerken) die idealen Rahmenbedingungen, um die erzeugte Elektrizität zur Deckung des Energiebedarfs im innerstädtischen Nahverkehr einzusetzen. Die aus Kern- oder Wasserkraft stammende Elektrizität läßt sich zum Wiederaufladen der Fahrzeugbatterien ideal nutzen, eine Schädigung der Atmosphäre oder eine abgasbedingte Verstärkung des Treibhauseffekts treten nicht ein.

EDF ist als Forschungsstelle, Stromlieferant, Experte und Berater der Kommunen an der Entwicklung des Elektrofahrzeuges beteiligt. Als erster Nutzer von Fahrzeugen mit E-Motor trägt EDF zur Weiterentwicklung der hierfür eingesetzten Technologien bei: Die hauseigene Flotte von rund 300 Elektroautos dient als Experimentierfeld für Parameter wie Fahrerverhalten, Wartung, Kosten etc. Das auf diese Weise gewonnene Know-how steht den Kommunen zur Verfügung. Mit allen der auf freiwilliger Basis teilnehmenden Städte werden Vereinbarungen unterzeichnet, die den Rahmen für die Zusammenarbeit abstecken und Details wie die innerstädtische Infrastruktur, die Wartung und Ausbildung usw. regeln. Als Stromversorgungsunternehmen beteiligt sich EDF aktiv an Untersuchungen über die technischen Voraussetzungen für die Energieversorgung der Fahrzeuge und die hierfür erforderliche urbane Infrastruktur. Dazu gehören die Entwicklung der Normal- und Schnelladestationen, ihre geographische Verteilung (Parkplätze und Parkhäuser, Straßennetz, private oder öffentliche Tiefgaragen usw.), die Optimierung der Sicherheitstechnik und die Normung des eingesetzten Materials.

Als unterstützende Maßnahme hat EDF im Februar 1992 in La Rochelle das Nationale Ausbildungszentrum für Elektrofahrzeuge CNFVE gegründet. Das Zentrum steht den Nutzern von Elektroautos innerhalb des Unternehmens offen und hat bisher nicht nur rund 200 Personen in der Materie ausgebildet, sondern bietet auch Vertretern der Kommunen und anderer Unternehmen, die ADEME-Förderungsgelder des Umweltministeriums in Anspruch nehmen können, die Möglichkeit, sich zu informieren. Die angebotenen Lehrgänge zielen in erster Linie darauf ab, das Fahrverhalten zu ändern und den Fahrern beizubringen, mit dem Energievorrat ihres Fahrzeuges hauszuhalten und auf diese Weise seine Reichweite zu erhöhen.

Die Forschungsabteilung von EDF verfügt zusammen mit den Partnern aus der Industrie für die kommenden drei Jahre über einen Etat von mehr als 30 Mio. Francs, um die ersten mit den Elektrofahrzeugen gewonnenen Erfahrungen erfolgreich zu nutzen. Das Programm beinhaltet die Entwicklung von Geräten für das Normal- und Schnelladen von Fahrzeugen. Diese Geräte müssen mit allen Batteriemodellen und -typen kompatibel sein. Weitere Programmschwerpunkte sind die Normungsarbeit auf europäischer Ebene und die weitere Entwicklung bis zur Serienreife. In RenardiŠres testet EDF außerdem auf Prüfständen die bisher erhältlichen (Blei-Säure, Blei-Gel, Nickel-Cadmium) oder in der Entwicklung befindlichen Batterietypen (Natrium-Schwefel, Natrium-Nickelchlorid) und forscht nach neuen Wegen, wie man die Reichweite der Fahrzeuge verbessern könnte. Besonders die Werkstoffpaarung Lithium-Polymere erscheint hier vielversprechend. EDF beteiligt sich ebenfalls an der Entwicklung intelligenter Module, die beim Wiederaufladen eine Beschädigung der Batterie sicher ausschließen. EDF stellt den Herstellern Mittel wie Prüfstände und EDV-Simulationsprogramme zur Verfügung, die das Unternehmen für die Konstruktion eigener, in den Kraftwerken eingesetzter Elektromotoren entwickelt hat. Darüberhinaus beteiligt sich EDF an der Entwicklung neuer Technologien zur Steigerung der Motorleistungen.

PSA Peugeot Citroen und das Elektrofahrzeug
PSA Peugeot Citroen hat sich bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Entwicklung von Elektroautos engagiert. Als erster großer Hersteller von Elektrofahrzeugen für die Fuhrparks von Unternehmen und Stadtverwaltungen bietet PSA Peugeot Citroen heute 50 Benutzern in La Rochelle im Rahmen einer "Generalprobe" die Möglichkeit, elektrifizierte Versionen des Peugeot 106 und des Citroen AX im Alltagseinsatz zu testen. Diese beiden Fahrzeugtypen, die bereits 1995 auf den Markt kommen sollen, sind als Vorläufer der noch bis vor der Jahrtausendwende für die Serie geplanten Modelle anzusehen, die ausschließlich für den Betrieb mit elektrischem Strom konzipiert werden. Für PSA Peugeot Citroen sind Elektroautos vollwertige Fahrzeuge, die neben herkömmlichen Qualitäten wie Straßenlage, Fahrkomfort und Sicherheit die in der Stadt besonders geschätzten Vorteile wie ruhiger Betrieb, fehlende Abgase und automatisierte Bedienung bieten.

Bereits 1989 hat PSA Peugeot Citroen den Peugeot J5 und den Citroen C15 und C25 als Nutzfahrzeug für den Fuhrpark von Unternehmen, Kommunen und städtischen Dienststellen eingeführt. 1995 findet die Kommerzialisierung des Peugeot 106 sowie des Citroen AX mit Elektromotor für Unternehmen und Behörden, aber auch für Privatleute statt, außerdem wird ein Mietbatteriesystem eingeführt. Gegen Ende des Jahrzehnts wird eine spezielles Elektrofahrzeug produziert, das für den Einsatz im Stadtbereich optimiert wurde. Der Citroen Citela ist ein Vorläufer dieses praktischen, modular aufgebauten und benutzerfreundlichen Fahrzeugtyps. Langfristig ist eine vierte Etappe geplant: das Elektrolangstreckenfahrzeug mit Gasturbine (Projekt VERT). Das VERT-Programm befindet sich noch im Entwicklungsstadium und beruht auf dem Konzept eines Fahrzeuges, das durch einen bordeigenen Stromerzeuger (Gasturbine) über eine wesentlich größere Reichweite verfügt.

Um nicht nur Prototypen, sondern einsatzfähige Serienfahrzeuge konzipieren und bauen zu können, mußte PSA Peugeot Citroen über verläßliche Nachfrageprognosen verfügen und zusammen mit seinen Partnern aus der Industrie gezielte Entscheidungen über umfassende Investitionen treffen. Der Konzern hat für das Projekt Mittel in Höhe von 600 Mio. Francs bereitgestellt und verschiedene Vertäge über die Lieferung von Motoren (Fa. Leroy-Somer), von elektronischen Steuer- und Regeleinrichtungen (Fa. Sagem) und von Nickel-Cadmium-Batterien (Fa. Saft) abgeschlossen.

PSA Peugeot Citroen wird über eine Zeitraum von 18 Monaten in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung von La Rochelle und EDF die Alltagstauglichkeit von 25 Peugeot 106 und 25 Citroen AX mit Elektroantrieb testen. Diese Fahrzeuge werden gegen eine geringe Gebühr (1.000 Francs pro Monat für einen Peugeot 106 und 900 Francs für einen Citroen AX) an die Benutzer - Privatleute, Behörden, Firmen - vermietet. Dieser an der Praxis orientierte Versuch soll zeigen, ob das Elektrofahrzeug für den Alltagseinsatz in der Stadt geeignet ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Experiments ist das Erfassen wichtiger Daten über die Automobile, die Ladestationen und das Fahrverhalten der Benutzer. Diese Daten können als Basiswissen für eine flächendeckendere Einführung von Elektrofahrzeugen im Stadtbereich dienen.

Die Entwicklung des Elektrofahrzeuges beruht auf der gemeinsamen Projektarbeit mehrer Partner: Automobilhersteller, Energieversorger, Stadtverwaltung und Behörden. Bereits heute haben sich 25 Städte in Frankreich vorgenommen, in den nächsten Jahren das Elektroauto in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und zu fördern. Für die Stadtverwaltungen beinhaltet der Einsatz von Elektrofahrzeugen die Einrichtung von Selbstbedienungs-Ladestationen im gesamten Straßennetz der Stadt sowie auf öffentlichen und privaten Parkplätzen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt unterzeichnet PSA Peugeot Citroen mit diesen Städten Partnerschaftsverträge über die Lieferung der Elektroautos, über die technische Ausbildung und über die Wartung der Fahrzeuge. So hat z.B. die Stadt Paris mit PSA Peugeot Citroen ein Vertragsprotokoll über den Ausbau des städtischen Fuhrparks und über die Förderung des Privateinsatzes von Elektroautos durch die Pariser Stadtbewohner unterzeichnet.

PSA Peugeot Citroen stellt seine Elektrofahrzeuge nicht nur Behörden- und Unternehmensfuhrparks sowie Privatpersonen zur Verfügung, sondern will auch interessierten Benutzern ebenfalls die Möglichkeit eröffnen, diese Fahrzeuge nach dem Self-Service-Prinzip zu mieten. Dieses System des "öffentlichen Individualverkehrs" ergänzt die vorhandenen städtischen Nahverkehrsmittel und ermöglicht den Benutzern, mit einer einfachen Magnetkarte an verschiedenen, über das gesamte Stadtgebiet verteilten Stellen ein Elektrofahrzeug zu übernehmen. Erste Versuche mit diesem System sind 1995 in Tours mit einer Flotte von Peugeot 106 mit Elektroantrieb vorgesehen. Das System ist eine Gemeinschaftsentwicklung von PSA Peugeot Citroen mit der Fa. VIA GTI, die ca. 100 Nahverkehrsnetze in Frankreich betriebt, und CEGELEC, dem führenden französichen Elektrokonzern.

In La Rochelle eingesetzte Elektrofahrzeuge
In La Rochelle werden je 25 Elektrofahrzeuge des Typs Peugeot 106 und Citroen AX eingesetzt. Bei beiden Fahrzeuge handelt es sich um Dreitürer mit vier Sitzplätzen. Von den 50 getesteten Fahrzeugen sind 46 mit Nickel-Cadmium-Batterien (280 kg, 120 V, 90 Ah) und vier mit Blei-Batterien (390 kg, 120 V, 67 Ah) ausgestattet. Die Batterien werden durch ein Gemisch aus Wasser und Glykol gekühlt.

Der Antrieb erfolgt über einen fremderregten Gleichstrommotor mit einer Nennleistung von 11 kW und einer Maximalleistung von 20 kW. Der Motor liefert eine Drehzahl bis maximal 6.500 U/min, sein maximales Drehmoment liegt bei 127 Nm bei Drehzahlen zwischen 0 und 1.600 U/min. Die Höchstgeschwindigkeit der Fahrzeuge beträgt 90 km/h, mit Blei-Batterien erreichen sie eine maximale Reichweite von rund 50 km, mit Nickel-Cadmium-Batterien liegt die maximale Reichweite bei rund 75 km.

Das "Lebendgewicht" des Peugeot 106 liegt im fahrbereiten Zustand bei 1.050 kg (mit Ni-Cd-Batterien), bei Citroen AX bei 975 kg (mit Ni-Cd-Batterien). Beide Fahrzeuge haben jeweils eine Zuladung von maximal 300 kg. Zusätzlich sind die Fahrzeuge mit einer Servolenkung, einem Schiebedach, einer Zentralverriegelung, einem Heckscheibenwischer, einem Autoradio und einem fünf Meter langen Ladekabel für die hauseigenen oder öffentlichen Ladestationen ausgestattet.

Ladestationen
Konzeption, Aufstellung und Wartung der Ladestationen fallen in den Aufgabenbereich von EDF. Eine normale Steckdose, wie sie in jeden Haushalt vorhanden ist, reicht zum Aufladen der Fahrbatterien des Elektrofahrzeuges. Der Aufladevorgang kann bevorzugt über Nacht stattfinden, da die Kraftwerke während dieser verbrauchsarmen Zeit über beträchtliche Kapazitätsreserven verfügen und die Abnehmer im allgemeinen günstigere Stromtarife (Nachtstromtarif) nutzen können.

Um jedoch die Versorgung der Elektrofahrzeuge mit Strom zu jede Zeitpunkt und an jedem Ort zu gewährleisten, ist auch im städtischen Verkehrswegenetz eine ausreichend große Zahl von Ladestationen einzurichten. EDF hat deshalb spezielle Ladestationen entwickelt, die die Batterien innerhalb von acht Stunden komplett wieder aufladen. Diese "Normalladestationen" können auf Parkplätzen oder am Straßenrand aufgestellt werden.

Um darüberhinaus das Risiko zu vermindern, unterwegs ohne Energie liegenzubleiben, hat EDF ebenfalls sogenannte "Schnell-Ladestationen" entwickelt, die mit der fünf- bis sechsfach höheren Leistung laden und auf diese Weise eine Notladung der Batterien ausführen können. Die Aufladung erfolgt über ein Kabel, das an der Ladestation befestigt ist, die Bedienung dieser Ladestationen erfolgt über speziell geschultes Personal. In ca. zehn Minuten hat die Batterie wieder einen Ladezustand erreicht, der eine Fahrstrecke von 20 km ermöglicht.

Die Ladestationen in La Rochelle
Die Benutzer von Elektrofahrzeugen mit einer privaten Garage können die Batterie ihres Fahrzeuges zu jedem beliebigen Zeitpunkt des Tages aufladen. Eine einfach geerdete Steckdose im Haus oder in der Garage reicht hierzu aus. Benutzer ohne eigene Garage oder Stellplatz können ihr Fahrzeug mit Hilfe einer Chipkarte an ca. zehn im Stadtgebiet verteilten Normalladestationen aufladen. Bis der volle Ladezustand der Batterie erreicht ist, vergehen etwa acht Stunden. Auch eine Teilladung über wenige Stunden ist möglich. Darüberhinaus gibt es drei Schnell-Ladestationen auf dem Betriebsgelände von Total-Tankstellen, die ebenfalls über die Chipkarte zugänglich sind und das Risiko verkleinern, unterwegs "ohne Saft" liegenzubleiben.

Die Chipkarte
Der Zugriff auf sämtliche Ladestationen im Stadtgebiet von La Rochelle erfolgt mittels einer Chipkarte. Mit ihrer Hilfe erfolgt die direkte Abrechnung der von der Ladestation gelieferten Energie. Die Chipkarte gestattet das Gratisparken auf allen öffentlichen Parkplätzen, außerdem berechtigt sie zur Inanspruchnahme des Beratungsservices des CNFVE.

Kosten beim Aufladen
Für das "Tanken" an der (eigenen) Hausstromsteckdose werden tagsüber 0,75 FF und nachts 0,43 FF pro Kilowattstunde berechnet. Das Aufladen wird zeitabhängig berechnet und kostet an öffentlichen Normalladestationen tagsüber 2,25 FF und nachts 1,35 FF pro Stunde. Bei den Schnell-Ladestationen werden tagsüber 13,50 FF und nachts 8,10 FF berechnet.

Die Benutzer in La Rochelle
Im Dezember 1992 kamen ausgesuchte Bürger von La Rochelle unterschiedlicher Altersgruppen, meistens Halter von mindestens zwei Fahrzeugen, zu einem Round-Table-Gespräch zusammen. Dabei wurde folgendes festgestellt: Es besteht generell eine positive Einstellung gegenüber dem Elektroauto und der Wahl von La Rochelle als Stadt für den Pilotversuch. Und es besteht ein gewisses Maß an Zurückhaltung hinsichtlich des persönlichen Kaufs eines Elektrofahrzeuges aufgrund der aus Unkenntnis erfolgten falschen Imagebewertung der Fahrzeuge (besonders auffällig war hierbei die Verwechslung mit den in Frankreich weit verbreiteten nicht führerscheinpflichtigen Fahrzeugen).

Diese Round-Table-Gespräche führte zu folgenden Ergebnissen: Anbieten von Informationsveranstaltungen mit einer ausführlichen und genauen Darstellung der Thematik und der Fahrzeuge, ihrer Leistungen und ihrer Verwendung im Rahmen des Pilotprojektes in La Rochelle und Anbieten von Sonderkonditionen für den Erwerb der ersten Peugeot 106 und Citroen AX mit Elektroantrieb.

Information - Marketing - Kommerzialisierung
Die ersten privaten Nutzer von Elektrofahrzeugen wurden in drei Etappen an die Praxis herangeführt. In der ersten Etappe von Januar bis März 1993 stand den Bürgern von La Rochelle ein kostenloses Servicetelefon zur Verfügung, bei dem interessierte Anrufer Erklärungen und Erläuterungen zu den einzelnen Aspekten des Flottenversuches in La Rochelle und technische Angaben zu den beiden vorgesehenen Elektrofahrzeugen abrufen konnten. Nach dieser Orientierungsphase erhielt jeder Anrufer ein ausführliches Dossier, in dem die wichtigsten Punkte im Hinblick auf den Flottenversuch genauer beschrieben wurden.

Um potentielle Kunden direkt ansprechen zu können, haben Peugeot und Citroen eine umfangreiche Mailingaktion gestartet, bei der alle, die Interesse an dem Flottenversuch gezeigt hatten, angeschrieben wurden. Parallel dazu wurde von den ortsansässigen Peugeot- und Citroen-Vertragshändlern jeweils ein Mitarbeiter abgestellt und speziell in der Technik der Elektrofahrzeuge ausgebildet. Diese Mitarbeiter haben zwischen Mai und Juli 1993 persönliche Gespräche mit allen Bewerbern geführt. Im Rahmen dieser Treffen wurde das Pilotprojekt in Details vorgestellt und als Informationsmaterial ein Video ausgehändigt, das die Fahrzeuge und ihre Leistungen und seinen praktischen Einsat beschreibt.

Anfang September wurden die ersten drei Elektrofahrzeuge an die jeweiligen Vertragshändler übergeben. Bereits am 15. September begann die praktische Erprobung der Elektrofahrzeuge durch die Kandidaten unter der Aufsicht der Firmenbeauftragten. Nach Ablauf dieser Erprobungsphase wurden die Kandidaten nach Kriterien wie Geschlecht, Erwerbstätigkeit, Alter, Beruf, Status, tägliche Kilometerleistung etc. ausgesucht, um auf diese Weise ein repräsentatives Panel der unterschiedlichen privaten Nutzer von Elektrofahrzeugen zu erhalten und ihren Umgang mit den Elektrofahrzeugen und den Ladesystemen zu untersuchen.

Die definitiv ausgesuchten Kandidaten unterzeichneten schließlich einen Monatsmietvertrag in Höhe von 1.000 FF für einen Peugeot 106 und 900 FF für einen Citroen AX. Der Vertrag hat eine Laufzeit vom 01. Januar 1994 bis zum 30. Juni 1995 und regelt das Mietverhältnis für das fahrzeug und die Antriebsbatterie, die Versicherung, die Wartung und die Bereitstellung eines Ersatzfahrzeuges. Neben 30 Privatpersonen (13 Männer, 17 Frauen) wurden auch lokale Unternehmen (5) und Behörden (3), die Stadtverwaltung von La Rochelle (5), EDF La Rochelle (5) und die Vertragshändler von PSA (2) ausgesucht. In den ersten 15 Monaten des Flottenversuches wurden mit den Elektrofahrzeugen bereits mehr als 500.000 km zurückgelegt, es wird erwartet, daß bis zum Abschluß des Flottenversuches insgesamt 700.000 Testkilometer zurückgelegt sein werden.

Ziel und erste Ergebnisse des Flottenversuches
Ziel des Pilotversuches in La Rochelle ist es vor allem, Erfahrungen über das technische Verhalten der Fahrzeuge im Alltagsbetrieb bei privaten und gewerblichen Kunden und über die Benutzung der Ladestationen zu sammeln sowie das Langzeitverhalten derjenigen Autofahrer zu erforschen, die ihr Fahrzeug mit Verbrennungsmotor durch ein Elektroauto ersetzt haben. Die Langzeitanalyse befaßt sich u.a. mit dem Erlernen der Fahrweise, der Einteilung der Reichweite, der Praxis des Aufladens, der sich verändernden Benutzungsweise des Elektroautos im Vergleich zum konventionellen Pkw, der Nutzungsverteilung auf Erst- und Zweitwagen und der Zufriedenheit der Nutzer in bezug auf die Fahrzeugqualitäten und die Besonderheiten des Elektroautos.

Die Haupterkenntnis einer ersten Bilanz ist folgende: Wenn es erst in Betrieb genommen ist, wird das Elektroauto als echtes Auto angesehen, im Gegensatz zu der meist vorher von einem solchen Fahrzeug gemachten Vorstellung (Kleinstwagen, führerscheinfreies Auto mit gedrosselter Leistung). Das Elektrofahrzeug erfüllt die Aufgaben eines echten Autos und liefert den gleichen Grad der Zufriedenheit wie ein normales Kraftfahrzeug, es bietet darüberhinaus ein neues Fahrvergnügen.

Unter der Einbeziehung kleinerer Verbesserungen, die bezüglich der Stromtankstellen und der Elektrofahrzeuge ausgeführt wurden, zeigt das Experiment mit den Elektrofahrzeugen in La Rochelle, daß das auf diesem technischen Niveau angelangte Produkt verkauft werden kann. Der Versuch wird noch einige Monate fortgeführt. Die PSA-Gruppe hat sich entschlossen, die 50 getesteten Fahrzeuge gegen 50 neue Fahrzeuge des Modells auszutauschen, das ab Ende 1995 verkauft werden wird, um vor dem Verkaufsstart letzte Erfahrungen zu sammeln. Daneben werden im Jahr 1996 noch etwa 250 weitere Fahrzeuge an die Stadt- und Bezirksverwaltung von La Rochelle und an einen großen Autovermieter geliefert. Ab 1996 werden insgesamt 350 Elektrofahrzeuge in La Rochelle fahren. Darüberhinaus plant die PSA-Gruppe, den Bau von Elektrofahrzeugen zu forcieren und bis zum Jahr 2000 die Produktionszahlen bis auf etwa 50.000 Fahrzeugen jährlich zu steigern.

 
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